Nichts bleibt, mein Herz, und alles ist von Dauer by Lise Gast

Nichts bleibt, mein Herz, und alles ist von Dauer by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-21T00:00:00+00:00


* * *

Walter hatte sich sofort und ohne Fragen in die Großfamilie eingefügt.

'Bis ich weiß, wo meine Eltern stecken', sagte er vergnügt und wischte sich mit dem Ärmel unter der Nase her. Taschentücher gab es natürlich nicht. Iso mochte ihn gern. Sie hatte ihn immer gern gehabt, seine freche, verschmitzte Art, seine lustigen Augen. Nur daß er sie 'Tantchen' nannte, ärgerte sie. Sie war ja auch nicht seine Tante, sondern eine Cousine, eine Base, ihre Mutter und Friederike waren Schwestern, deren Kinder also Vettern und Basen.

'Aber erspar mir bitte, dich Base zu nennen', sagte er vergnügt, 'wir hatten eine in der Familie, die so genannt wurde, die Base von Vater. Als wir, also Vaters Kinder, dann erschienen, wurde sie ›Tante Base‹ genannt. So spricht man in der Familie noch heute von ihr.'

Die Familie – wo mochte sie sein? Lebten Walters Eltern noch? Wo waren Christiane und ihr Mann? Walter tat, als seien alle nur verreist und könnten jeden Tag auftauchen, so, wie er aufgetaucht war. Post gab es noch nicht wieder, und wie sollten die Angehörigen darauf kommen, wo Iso mit ihrem Schwarm gelandet war? Natürlich hatte sie ihre Anschrift beim Roten Kreuz hinterlegt, ohne Hoffnung, daß das etwas bringen würde. Nur die Nachricht von Richards Tod erhielt sie dadurch.

Sie hatte nicht mehr daran glauben können, daß er noch lebte. Aber die Gewißheit war dennoch entsetzlich schwer zu tragen. Iso verbot es sich zu weinen, sie hatte niemanden, bei dem sie hätte weinen können, auch nicht Onkel Paul. Denn um dieselbe Zeit starb Tante Mutz, von ihm und ihr und dem ganzen Hof tief betrauert. Es verstand sich von selbst, daß Iso mit zur Beerdigung ging, und hier durfte sie endlich weinen. Die Kinder hatten Sträuße von Feldblumen in den Händen, es war Sommer geworden.

Iso und die größeren Kinder arbeiteten auf dem Feld, um sich etwas zu verdienen. Abends und in der Mittagspause lief Iso von einem ihrer Patienten zum anderen, massierte, verband und pflegte, es gab ja keine Bezirksschwester in dem kleinen Ort. So blieb ihr dieses Amt. Sie übte es gern aus. Eine der größeren Töchter, Elke oder Jule, kümmerte sich um den Haushalt.

Walter bastelte zu Hause. Er war geschickt, auch fleißig, zwar nicht recht zuverlässig, aber liebenswert. Er 'machte aus Dreck Zwerge', wie die anderen sagten, und richtete eine behelfsmäßige Küche ein, was sehr nötig war. Aber er blieb der charmante, leichtsinnige Lumpenhund, der eigentlich noch Aufsicht nötig gehabt hätte. Eines Tages kam Iso zeitiger vom Feld heim und fand ihn in einer ziemlich eindeutigen Situation mit Jule. Iso war empört. Sie brüllte beide an, drohte, Walter hinauszuwerfen, und heulte dann die halbe Nacht, bis sie schließlich vor Erschöpfung einschlief. Jule, das ihr anvertraute Kind ihrer so sehr geliebten Gundi, bei der sie die schönsten Jahre ihrer Jugend verlebt hatte, und Bertrams Kind, dem sie nachtrauerte wie einem geliebten verlorenen Bruder – sie nahm es sehr schwer. Und sie schämte sich, daß sie weinte – als sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes bekommen hatte, hatte sie nicht geweint – aber jetzt heulte sie aus Ärger.



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